Sven Heuchert – Das Gewicht des Ganzen. Berlin: Ullstein, 2023.
Fremd. In der Fremde. Fremd fühlt man sich in diesem Buch, auch wenn man jedes einzelne Wort versteht. Man taucht ein in eine Welt von rauher Schönheit, in der der Verfall allgegenwärtig ist, aber auch das Leben, das junge, das alte, und das Überleben.
Menschen bewegen sich in dieser Welt, sie fahren herum, sie tun dies und das, erledigen Arbeiten, begegnen einander, wechseln ein paar wenige, prägnante Worte. Und sie gehen wieder auseinander.
Im Grunde genommen ist es das: kristallisiert an den beiden Protagonisten Milla und Russ, die einander begegnen, einander etwas in schroff-lakonischer Art geben können und wieder auseinander gehen. Wie die Natur. Wie die Hütte im Wald. Sie steht da. Wie alles andere auch. Dann kommt es zu einem Kontakt, interagiert das eine mit dem anderen, und dann steht wieder alles wie unverbunden nebeneinander. So ist das Leben. So ist die Natur.
„Das Gewicht des Ganzen“ stellt dies auf unprätentiöse Weise dar: Es demonstriert es geradezu. Man kann dieses Buch nicht lesen, ohne sich selbst in Frage zu stellen. Was man hier tut, in der Welt. Und was das alles soll. Wo ist die Bedeutung des Ganzen? Was bleibt, wenn man den ganzen Überbau wegnimmt, die Gedankenpaläste und Spekulationen, die aufgetürmten bedeutungsschwangeren Wolken, die so viele Bücher füllen? Es bleibt: die bloße Materie. Bei Heuchert spürt man das Gewicht des Ganzen: erdschwer. Dieses Buch ist heilsam, indem es einen auf das zurückwirft, was man wirklich ist. Blut, Fleisch, Knochen: ein Mensch, auf dem Land, in einer Welt. Auf einem Planeten, in einem Sonnensystem, einer Galaxie, einem Universum. So ist es. Und mehr gibt es nicht zu sagen.
Der Siegertitel bei „Literatur des Monats“ für Mai 2023: Sven Heuchert. Das Gewicht des Ganzen.
Sven Heuchert – Das Gewicht des Ganzen. Berlin: Ullstein, 2023. 192 S. ISBN 978-3-550-05072-5