Ocean Vuong – Auf Erden sind wir kurz grandios
Ocean Vuong – Auf Erden sind wir kurz grandios. Wie konnte das passieren: Da habe ich doch tatsächlich mal ein Buch gelesen, das „jeder“ liest. Wie das Leben so spielt: Wenn man auf einer Ferieninsel in einer „normalen“ Buchhandlung ein Buch mit (auch) schwuler Thematik liegen sieht … dann freut man sich, überlegt sich kurz, ob man es liegen lässt, damit es ein anderer Interessent kaufen kann, und denkt sich dann, nö, lieber selber, damit die Buchhändlerin merkt, dass da auch eine Nachfrage ist. Und schwupps liest Klaus einmal aktuelle Literatur. Dies nur zur Erklärung.
Das Lob
Das Buch wird flächendeckend so hoch gelobt, dass ich dazu gar nichts mehr sagen muss, außer: Schließe mich an.
Die Kritik
Ich kann also umstandslos anfangen zu kritteln. Ist eigentlich nur ein einziger Gedanke: „Auf Erden …“ ist das typische Produkt eines Lyrikers, der sich aufs Feld der Prosa wagt. Lyriker haben einfach einen unübertreffbaren Blick fürs poetische Detail, für die Poesie in den Dingen und in den Wörtern (ja: Wörtern und nicht „Worten“), und darüber verlieren sie häufig den Blick auf das große Ganze. Das ist auch hier der Fall, und es hat zur Folge, dass das Buch a) nicht „spannend“ ist. Es bezieht seinen Reiz aus der Sprache und aus den Bildern. Es ist in jeder Hinsicht interessant und anregend, jede Zeile führt zur nächsten und macht neugierig auf sie – aber die klassische Krimispannung braucht man hier nicht erwarten. Es wird eben nach und nach eine Geschichte „entblättert“. Dem folgt man mit empathischem Interesse – und Genuss! – aber nicht „gespannt“. Das meine ich gar nicht negativ, das charakterisiere ich nur; ich mag das, und hier ist es gelungen. b) Das Buch löst sich stellenweise (ach was, in weiten Strecken) in einzelne Bilder auf. Es ist ja auch episodenhaft erzählt. Einzelne dieser Episoden könnten wegfallen, und man könnte auch noch welche hinzufügen. Das gilt besonders für die zweite Hälfte; hier könnte man streichen oder hinzufügen, ohne dass dies eine Veränderung in der Substanz ergäbe. Sowas macht mich regelmäßig nachdenklich bis skeptisch. Leider habe ich deshalb auch doch eine ganze Weile gebraucht, um das Buch zuende zu lesen (schon wieder auf dem Festland). Man hat den Eindruck: Man kann es weiterlesen – man muss es aber nicht zuende lesen. Macht keinen Unterschied. Tja.
Übersetzt von Anne-Kristin Mittag, and she has done a really good job.
Ocean Vuong – On earth we´re briefly gorgeous. Jonathan Cape, 2019. 256 Seiten. ISBN: 9781787331501